Diese Woche habe ich wieder am Donnerstag frei und ich sah auch schon, dass die Wettervorhersage ganz passabel war. Eventuelle Wärmegewitter am späten Nachmittag/frühen Abend. Auf Deutsch: früh starten, schnell und früh dahoam sein. Also rief ich meine Kusine Martina an und fragte ob sie Zeit und Lust auf eine Tour hatte. Sie sagte zu und es kommen Gipfel wie Triglav, Zugspitze, Hoher Riffler und andere ins Gespräch, doch der eine war zu weit weg, der andere zu überlaufen und der andere zu nah an zu Hause, sprich denn könnten wir noch immer irgendein anderes Mal in Angriff nehmen. Mir fiel ein, dass ich doch schon länger auf das Große Wiesbachhorn in Kaprun gehen wollte, immerhin mit seinen 3.564m der höchste komplett auf Salzburger Gebiet liegende Gipfel.
Großes Wiesbachhorn 3.564m
Nach kurzem Grübeln ist es beschlossene Sache und wir checken die Route auf unseren Smartphones. Es ist jetzt Mittwoch, 21.00 Uhr und wir gehen nach Hause. Laut Literatur kann um diese Jahreszeit noch viel Schnee liegen und deswegen auch die Gletscherausrüstung von Vorteil sein. Nachdem ich meinen Rucksack vorbereitet habe, leg ich mich ins Bett und präge mir durch Kartenstudium unseren Weg für den nächsten Tag ein.
Wir mussten früh los, denn wir wollten unbedingt den ersten Bus zu den Hochgebirgsstauseen in Kaprun erwischen und wir würden ca. 1h mit dem Auto dorthin brauchen.
Stausee Mooserboden
Den Bus wählten wir, damit wir schneller sind: Erstens weil am späteren Nachmittag das Wetter umschlagen könnte und zweitens weil Martina am Abend wieder arbeiten musste. Das Wetter war an diesem Tag auch eine sehr unberechenbare Sache. Schon beim Losfahren in der Früh merkten wir, wie bei uns in der Zillertal Arena die Gipfel in den Wolken versanken. Unser Motto war aber wie immer: „Schauma moi! Wonn´s geht, geht´s, wonn nit, nit!“
Am Parkplatz machen wir unseren Materialcheck und merken, dass wir kein Seil dabei haben, wollen es uns trotzdem mal vor Ort anschauen. Zu zweit am Seil würde eh wenig bringen, sagen wir uns. Wir kaufen unsere Tickets für den Bus und pünktlich um 08.10 startet dieser auch. Durch ewig lange Tunnel schlängelt sich diese immer weiter den Berg hinauf und eine halbe Stunde später stehen wir an unserem Ausgangspunkt. Auch hier macht das Wetter keinen besseren Eindruck, die Gipfel sind alle in den Wolken doch es schaut zumindest nicht nach Regen aus. Wir spazieren über die imposanten Staumauern des Mooserbodens auf ca. 2.000m und sehen schon weit oben am Berg unser erstes Zwischenziel: Das Heinrich-Schwaiger-Haus.
Route und als kleiner Punkt das Heinrich-Schwaiger-Haus
Wie ein Adlerhorst thront es auf einem kleinen Plateau auf 2.802m Seehöhe. Der Weg erkennt man auf den ersten Blick in diesen steilen Flanken nicht, doch gleich am Ende der Staumauern sehen wir die ersten Wegmarkierungen;** 2h zum Schweiger-Haus, 5h zum Wiesbachhorn. Challenge accepted.** Das geht schneller denken wir uns. Direkt neben dem Wegweiser steht eine Tafel mit der Bitte doch etwas Holz mit auf die Hütte zu nehmen, da diese keine Materialseilbahn hat. Wir packen auf was geht und starten nun mit doch recht schweren Rucksäcken Richtung Berg. Anfangs queren wir eine gefühlte Ewigkeit die steile Bergflanke und machen kaum Höhenmeter. Doch dann ging es endlich Bergauf. Und das auch gleich richtig. In kurzen Serpentinen schlängelt sich der Weg immer steiler den Berg hinauf. Am Vortag hat es wohl geregnet, da der sandig-steinige Untergrund rutschig war, jedoch keine Probleme darstellte.
sandiger Untergrund
Recht flott kamen wir voran, ich merkte aber das Gewicht auf meinen Schultern. So war es, dass Martina vorging und ich dahinter in meinem Tempo nachkam. Nach ca. 40 Minuten flachte das Gelände etwas ab und man ging über ein unglaublich großes Steinfeld, dass von den Gletschern über Jahre hinweg glatt geschliffen wurde. Einige Passagen waren hier mit Drahtseilen versichert, für den geübten Berggeher aber nicht notwendig. Das Heinrich-Schweiger-Haus rückte immer näher heran und nach ca. 1,5 Stunden waren wir da. Wir lieferten das mitgebrachte Holz bei den Hüttenwirten ab und bekamen als Dank gleich ein Getränk.
Hüttenankunft mit schwerem Rucksack
Wir plauderten etwas über den Weiterweg und bekamen hilfreiche Infos. Die Hüttenwirtin, eine sehr sympathische Münchnerin, schätzte das wir noch ca. 2-3h zum Gipfel brauchen würden, Seil jedoch keines benötigt wird. Das spielte uns natürlich in die Karten. Kurz zweifelten wir, als wir auf der Terrasse zwei Bergsteiger mit Seil, Gurt und kompletter Ausrüstung sahen und hörten, dass sie umdrehen mussten, da es sehr kalt am Berg sei. Ich zieh mir meine lange Hose an und wir machen uns mit den nun leichteren Rucksäcken auf den Weg. Gleich fünf Minuten nach der Hütte kam auch schon die Schlüsselstelle: ein ca. 20m hoher, enger Kamin, der jedoch mit einem Drahtseil entschärft war.
Schlüsselstelle, Martina im Abstieg
Da wir weiter oben einige Bergsteiger sahen, entschieden wir uns, die Helme als Sicherheitsmaßnahme aufzusetzen. Der Kamin wird laut unserer Einschätzung in der Literatur schwieriger beschrieben als er ist. Martina ist nicht die Größte (sorry Martina), konnte aber auch recht einfach Tritte und Griffe finden. Nach diesem Stück wird es einfacher. Es geht steil über Platten und sandigem Gestein bergauf. Nicht lang danach erreichen wir schon den Kaindlgrat, der in seiner Blütezeit optisch wohl dem Biancograt an der Bernina geglichen hat.
Der traumhafte Kaindlgrat
Links und rechts geht es steil bergab und ausrutschen ist jetzt nicht mehr erlaubt, im Schnee sind aber super Trittspuren und deswegen noch keine Steigeisen nötig. Das Gelände wechselt jetzt für die nächsten 30 Minuten zwischen Felsplatten und Schnee-/Eisfeldern ab. Zwei absteigende Bergsteiger kommen uns entgegen und erklären, dass die Steigeisen bergab mehr Sinn machen als bergauf. Sicherheitshalber ziehen wir sie uns aber mal an.
Mit Steigeisen durch den Fels
Von dieser Position war recht schwer einzuschätzen wie die Verhältnisse weiter oben sein würden, doch vom unten stehen würden wir ja auch nicht klüger werden. Mit den Eisen bewaffnet steigen wir in die** Westflanke** des Wiesbachhorns ein und müssen erkennen, dass wir auch hier immer wieder auf Felspassagen treffen.
Wiesbachhorn-Westflanke
Es ist zwar prinzipiell möglich mit Steigeisen im Fels zu klettern, jedoch ein wenig rutschiger und deswegen entscheiden wir geschätzte hundert Höhenmeter vor dem Gipfel diese zurückzulassen. Gleich darauf erkannten wir, dass es ab jetzt nur noch im Schnee hinaufgehen sollte und auch hier perfekte Tritte vorzufinden waren.
Die letzten Meter
Währenddessen sich die Sonne jetzt immer mit Wolken abwechselte, klettern wir weiter und haben kurz danach auch schon den Gipfel erreicht. WOW! Einfach geniales Gefühl. Fast alleine auf über 3.500m. Plötzlich fühlt man sich ganz klein.
Geschafft! Auf dem Gipfel, saucool!
Die Aussicht ist bescheiden, trotzdem aber einfach geil. Weit unter uns sehen wir die Stauseen, die andere Seite Richtung Großglockner ist hingegen komplett in den Wolken versunken. Auch egal, wir stehen nur 1:40h nach der Hütte mit drei anderen Bergsteigern aus Niederösterreich am höchsten „echten“ Salzburger. Kurz beglückwünschen wir uns und ziehen alle wärmere Kleidung an, hier oben weht ein kühler Wind. Martina und ich warten bis wir den Gipfel wirklich für uns haben, schreiben uns ins Gipfelbuch ein und schießen ein paar Fotos.
Gipfelkreuz
Langsam aber sicher machen wir uns wieder auf den Weg und nehmen nun unsere Pickel als Gehhilfe. Kurz unter dem Gipfel merken wir, dass die Steigeisen jetzt doch recht angenehm wären. Hätten wir sie doch nicht liegen gelassen. Owa wuascht do miassma etz duach. Langsam geht es weiter bergab bis wir die Stelle unseres kleinen Depots erreichen und denken es ist eh schon egal. Keine Steigeisen.
Im Abstieg bei bester Laune
Der Schnee ist mittlerweile so weich, dass man mit der Ferse guten Halt findet und recht zügig voran kommt. Bald sind wir wieder am Kaindlgrat und die Wolken lichten sich etwas, sodass wir auch die umliegenden Berge fotografieren können.
Vorderer und Hinterer Bratschenkopf, dahinter Klockerin
Der Abstieg erfolgt über die gleich Route wie der Aufstieg also stärken wir uns am Heinrich-Schweiger-Haus bei einem netten Gespräch mit den Hüttenleuten. Diese waren doch etwas überrascht, dass wir so schnell waren.
Das Heinrich-Schwaiger-Haus
Die Arbeit ruft. Also steigen wir ab und erwischen einen Bus, der um diese Zeit unglaublich voll ist. Die Stauseen sind ein beliebtes Ausflugsziel und das merkte man heute ganz deutlich. Das Wetter wurde entgegen der Prognosen eher besser und lockte so noch viele Leute in die Natur. Im Bus mussten wir kurz warten, da von unten extra Busse für die wartenden Gäste kamen und es ein Einbahnsystem zu befolgen galt. Bald darauf waren wir wieder beim Auto und hatten diesen Berg endgültig erledigt. Wir waren voll happy, merkten aber das Martina wohl nicht mehr rechtzeitig zur Arbeit kommen könnte. Dieses Problem konnte zum Glück geregelt werden. Am Parkplatz gab es für mich eine schöne Überraschung. Gäste die vor zwei Jahren mit mir in Königsleiten wandern waren, erkannten mich wieder und wir unterhielten uns noch kurz. Danach fuhren wir nach Hause und waren erleichtert, dass alles so gut geklappt hat. Mit vielen schönen Eindrücken endete mein Tag zu Hause in Königsleiten bei einem kühlen Bier und ich fiel zufrieden und müde in mein Bett.
_Bastian Obermoser, August 2018
Fotos by Martina Obermoser und Bastian Obermoser ©_